Ist Abmalen gut?
Ich mach’s kurz: Ja, abmalen ist sogar richtig gut und okay ist es auch (*siehe dazu Kasten weiter unten, Thema Urheber). Möglicherweise überrascht dich das. Wenn du wissen willst, warum du ohne schlechtes Gewissen abmalen darfst und wann es vielleicht doch Zeit wird loszulassen, lies weiter:
Mit Abmalen fängt alles an
Wenn du gerade erst mit Malen anfängst oder nach langer Zeit wieder einsteigst, wirst du wahrscheinlich viel abmalen. Von Vorlagen. Von Videos. Nach Anleitungen.
Erst denkst du dir nichts dabei. Man lernt ja vieles durch Nachahmen. Kleine Kinder schauen sich alles bei Eltern und Geschwistern ab. Lehrer, Ausbilder, Kursleiter machen vor, ihre Schüler machen nach. Ein bewährtes Konzept. Alles fein.
Ich kann nur abmalen. Das ist doch kein richtiges Malen!
Doch nach einiger Zeit wirst du vielleicht unsicher und sagst dir: Ich kann gar nicht (richtig) malen, ich male ja nur ab!
Du fragst dich: Bin ich überhaupt kreativ, wenn ich nur Tutorials nachmale? Müsste ich nicht einen eigenen Stil entwickeln? Kann ich die neue Technik immer noch nicht allein anwenden?
Abmalen kann so sinnvoll sein
Auch wenn dir diese Gedanken zusetzen: Abmalen ist grundsätzlich total sinnvoll. Es bedeutet nicht automatisch, dass du unkreativ bist. Oder nicht in der Lage, auch mal was Eigenes zu malen. Viele Künstler, die später mit eigenen Werken berühmt wurden, haben anfangs bei anderen abgemalt. Um zu lernen.
Sicher ahmst du auch in anderen Lebensbereichen nach, ohne dich dabei schlecht zu fühlen. Du kochst Essen nach Rezepten, die du in Büchern und im Internet findest. Du dekorierst deine Wohnung oder gestaltest deinen Garten, wie du es in Lifestyle-Magazinen gesehen hast. Du nähst Kinderklamotten nach Schnittmustern aus dem Web.
Es steckt immer ein bisschen DU mit drin
Das bedeutet nicht automatisch, dass du andere komplett kopierst. Es fließt immer etwas von dir mit ein. Mal mehr, mal weniger.
Du lässt beim Kochen Zutaten weg oder nimmst andere dazu. Du dekorierst deine Wohnung mit anderen Farben und Materialien, als denen, zu welchen dich das Lifestyle-Magazin inspiriert hast. Dein Kind mag eine andere Farbe als die beim Nähmuster vorgeschlagene? Nimmst du halt die. Und machst noch Extra-Bommeln dran 🙂 .
*Exkurs: Respekt vor dem Urheber
Wichtig ist, dass du keine Urheberrechte verletzt. Dass du nicht die Ideen anderer Leute als deine ausgibst. Dazu gehört auch, dass du Original-nahe nachgemachte Dinge nicht als deine veröffentlichst und verwertest. Es sei denn, du hast vom Urheber die Erlaubnis dazu bekommen.
Dein Kind darf die nachgenähte Mütze tragen. Du darfst mit deiner Freundin Rezepte tauschen. Nachgemalte Bilder darfst du bei dir an die Wand hängen oder verschenken oder voller Stolz anderen zeigen.
Falls du jemals mit offensichtlich nachgemachten, also mit wenig erkennbarem Abstand zum Original, und dann vielleicht auch noch massenhaft produzierten Dingen Geld verdienen willst, wende dich unbedingt vorher an den Urheber. Zuallererst aus Respekt vor ihm und seiner Idee. Und natürlich, um rechtlichen Ärger zu vermeiden.
Darum ist Abmalen gut
Zurück zum Thema Abmalen. Das kann jenseits vom schlechten Gewissen ‘ne ziemlich schlaue Idee sein. Warum?
Weil du vom Abmalen mehrfach profitierst:
Das Gelernte kannst du immer wieder selbständig anwenden. Vielleicht erst mal in ganz kleinen Schritten, indem du an den Vorlage-Motiven nur hier und da etwas anders machst. Ganz nach deiner Nase. Mit der Zeit wirst du dich sicherer und damit freier beim Malen fühlen. Und den Mut entwickeln, die Vorlagen irgendwann loszulassen.
Aber: Solange du dich für eigene Motive nicht bereit fühlst,
bleibt Abmalen eine willkommene Option.
Abmalen ist nicht gleich abwerten
Deine abgemalten Bilder sind nicht weniger wert und du musst dich auch nicht kleinmachen. Ich gebe zu: Bis heute sage ich reflexartig: „Aber das habe ich nur abgemalt“, wenn ich ein Kompliment für ein Bild bekomme, zu dem mich jemand anders inspiriert hat.
Vielleicht hilft dir dieser Gedanke: Dein abgemaltes Bild sieht nie genauso aus wie die Vorlage. Es ist immer was von dir drin. Du hast andere Farben genutzt. Oder andere Details betont und welche weggelassen. Oder du hast, weil du noch nicht auf dem gleichen Stand der Technik bist, auf deine ganz eigene Weise improvisiert.
Je mehr Eigenes du einbringst beim Abmalen, desto mehr Abstand gewinnst du zur Vorlage. Desto mehr fühlt es sich wie dein Bild an. Wäre das vielleicht ein Weg für dich, das Abmalen als freundlichen Begleiter zu sehen, den du ab und zu und später immer öfter loslassen kannst?
Abmalen als erfüllendes Hobby
Es gibt Leute, die lassen sich ganz bewusst darauf ein, „nur“ abzumalen. Sie haben ihre Lieblings-Youtuber oder Kurs-Anbieter und malen durchs Jahr die neuen Videos und Kurse mit.
Sie machen sich keinen Druck, einen eigenen Stil zu entwickeln. Sie genießen es, sich keine Motive ausdenken und das Bild vom ersten Pinselstrich bis zum Schluss selber durchplanen zu müssen (ich schreibe „müssen“, weil sich das für sie vielleicht genauso anfühlen würde).
Guess what? Das ist okay. Wenn du diese Art zu malen magst, genieße es! Vielleicht ist das genau dein Weg, wie du mit Kunst und Malen entspannen kannst. Ich meine, wofür gibt es denn sonst all diese wunderbaren Watercolor-Bücher mit Mal-Anleitungen oder die liebevoll gedrehten Mal-Videos auf Youtube? Zum Mitmalen und Abmalen. Genau 🙂 .
Wenn dir das irgendwann doch nicht mehr reichen sollte, ist es ja immer noch möglich, was Eigenes zu versuchen. Alles kann, nix muss.
Wenn dich Abmalen bremst
Vielleicht hast du aber doch irgendwann das Gefühl, dass Abmalen dich bremst.
Und während du dich noch in deine Komfortzone kuschelst, fragst du dich, wie es wohl wäre, wenn du ganz frei dein eigenes Bild malen könntest.
Aber du traust dich nicht. Weil du Angst hast, dass deine eigenen Ideen nicht gut genug sein könnten? Dass du Fehler machen oder ein „schlechtes“ Bild malen könntest?
Wie wäre es, dir selbst zu vertrauen, dass du das hinkriegst?
Trau dich mal, nicht mehr abzumalen
Denn das könntest du. Wenn du so weit bist, dass du dich nicht mehr sklavisch an der Vorlage langhangelst und viele Schritte schon auf deine eigene Art und Weise umsetzt, kannst du langsam von den Vorlagen weggehen.
Oder es ganz ohne versuchen. Vielleicht erst mal mit einem vertrauten Motiv, das du schon ein paarmal gemalt und gut hinbekommen hast.
Klar, macht dich das ein bisschen nervös. Es kostet erst mal Überwindung, allein loszumalen und vor lauter Zweifeln hast du schon den schönen Pinselstiel angekaut.
Aber was soll denn schon passieren?
Vielleicht wird dein Bild nicht so (schön), wie du erwartet hast. Dann sind deine Erwartungen womöglich zu hoch! Vielleicht entsteht nur etwas ganz Schlichtes. Das mag dich denken lassen, dass du es nicht kannst. Aber eigentlich ist es toll, denn es ist dein eigenes Bild! Und es ist genau richtig so. Und es ist ein Anfang.
Du darfst hässliche Bilder malen
Denk dran: Du musst nicht die Erwartungen fremder Leute erfüllen. Deine eigenen Erwartungen darfst du runterschrauben oder gleich ganz wegschieben. Du darfst Fehler machen. Du darfst hässliche Bilder malen. Du musst sie niemandem zeigen. Und du darfst es immer wieder neu versuchen.
Erlaube dir, zu malen. Erlaube dir, zu experimentieren.
Egal, wie deine Ergebnisse aussehen – sie sind ein Teil von dir.
Du darfst auch jederzeit wieder zu Vorlagen zurückkehren, wenn du gerade keine Idee hast oder einfach entspannt bei jemand anders abmalen möchtest. Und es dann wieder allein versuchen. So wird mit der Zeit immer mehr von dir in deine Bilder einfließen.
So oder so: Es geht gar nicht um ein (tolles) Ergebnis. Genieße, dass es beim Malen um dich geht. Darum, dass es dir gut geht. Dass du dich mit dir selbst verbindest und Druck, Erwartungen und Angst loslässt. Und tief in dir Freude spürst.
Fazit
Wenn du noch am Anfang stehst, nach langer Zeit wieder einsteigst oder neue Techniken lernen möchtest: Male ab!
Wenn es dich entspannt und mit Freude erfüllt, bei anderen abzumalen, tu das. Wenn du immer anspruchsvollere Tutorials mitmalst, entwickelst du deine Fähigkeiten ja auch weiter. Das kann so stolz machen!
Wenn dir reines Abmalen nicht mehr reicht und du weißt, eigentlich könntest du es alleine: Male deine eigenen Bilder. Bleib dran, auch wenn sie nicht (gleich) so aussehen, wie du erwartet hast. Gib dir Zeit und schau dir dabei zu, wie du dich und deine Bilder entwickelst und sie immer mehr ein Teil von dir werden.
Du darfst jederzeit zu Vorlagen zurückkehren. Wenn du mal keine Idee hast, entspannt bei jemand anders mitmalen oder was Neues ausprobieren willst. Go for it!
Wichtig am Ende: Die Ideen anderer als deine eigenen auszugeben ist nicht erlaubt und nicht in Ordnung. Abmalen schon. Viel Spaß dabei!
Wie geht es dir mit dem Thema Abmalen?
Schreib mir gern unten in den Kommentaren ❤
Franziska Schwarzkopf
Beim Thema Aquarellmalen bin ich ein echter Spätzünder. Und damit lebender Beweis, dass es nie zu spät ist, mit dem Malen zu beginnen 😉.
Mit einfachen Aquarell-Tutorials und Malkursen begleite ich Hobby-Malerinnen bei ihrem Start ins Abenteuer Aquarellmalen.